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EU bewilligt neue Tablette gegen MS-Schübe

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Die Europäische Arzneimittelagentur hat das Medikament Cladribine zugelassen. 20 Tabletten sollen Multiple Sklerose langfristig beherrschen

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Rund 12.000 Menschen dürften in Österreich an Multipler Sklerose leiden. Mit Beta-Interferon, Glatirameracetat, dem monoklonalen Antikörper Natalizumab und dem zunächst als Transplantationsmedikament entwickelten Fingolimod gibt es bereits einige effiziente Medikamente. Jetzt wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA/London) auch das immunsuppressive Zytostatikum Cladribine zugelassen.

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Bei dem Medikament, das in Zukunft in Europa als erste in Tablettenform vorliegende Kurzzeitbehandlung einer schweren schubförmigen Multiplen Sklerose verwendet werden darf, handelt es sich um eine niedrig dosierte Formulierung der Wirksubstanz 2-Chlor-2'-desoxyadenosin (2-CdA) des deutschen Pharmakonzerns Merck. Bisher ist das Medikament in Infusionsform zur Behandlung der Haarzell-Leukämie zugelassen.

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Die Multiple Sklerose dürfte eine Autoimmunerkrankung sein, bei der es zu einer Entzündungsreaktion im Gehirn kommt, welche die Isolierschichten der Nervenbahnen (Myelin-Scheiden) so schädigt, dass "Kurzschlüsse" die Motorik immer mehr beeinträchtigen. An sich werden nach akuten Schüben der Erkrankung zwar Regenerationsprozesse beobachtet. Doch diese Re-Myelinisierung von Schäden bei Multipler Sklerose (MS) bleibt oft unvollständig. Damit kommt es oft zu einer Kumulation der Schäden. Die häufigste Form ist die schubförmig verlaufende MS. Gegen das Auftreten dieser akuten Schübe wurden die meisten Therapieformen entwickelt. Sie wirken immunmodulatorisch, sollen also die fehlgeleiteten Autoimmun-Reaktionen in Gehirn und Rückenmark dämpfen.

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In Erbsubstanz eingebaut

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Cladribine ist ein niedermolekularer Wirkstoff, der als falscher Baustein in Erbsubstanz (DNA, RNA) eingebaut wird und zum Abbruch der Stoffwechselabläufe und zum programmierten Zelltod (Apoptose) führt. Bei der Multiplen Sklerose werden dadurch relativ gezielt CD4-positive und CD8-positive T-Lymphozyten anvisiert, die sehr stark auf diesen Mechanismus reagieren. Aber auch die B-Zellen werden im Laufe der Behandlung stark reduziert.

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Die Zulassung der seit Jahren bekannten Substanz für die Verwendung in der Neurologie gestaltete sich langwierig. Laut Merck liegen bisher Daten von 2.700 Studienpatienten über einen Zeitraum von rund 10.000 Patienten-Jahren vor. So stellte sich eine Verringerung der Schubrate um 67 Prozent ein. In Magnetresonanzuntersuchungen (MRT) ging das Ausmaß der entzündlichen Herde im Zentralnervensystem um etwa 80 Prozent zurück. Ein zusammengesetzter Index (NEDA-4) aus Markern aufgetretener Schübe, sich verstärkende Invalidität, Vorhandensein von im MR sichtbaren Läsionen und Einbußen an Gehirnvolumen verringerte sich um 44 Prozent unter der echten Behandlung im Vergleich zu der Placebo-Gruppe.

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Einfache Anwendung

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Während die bisher in der MS-Therapie verwendeten immunmodulatorischen Medikamente ständig eingenommen werden müssen – zu einem Gutteil per Injektion oder Infusion –, ist die Anwendung von Cladribine extrem einfach und kurzfristig. Es sind fünf Tabletten an fünf Tagen, dann drei Wochen Pause, dann wieder fünf Tabletten im ersten Therapiezyklus. Nach einem Jahr wird das dann wiederholt. "Dies ist ein aufregender Moment, der zudem die MS-Behandlung entscheidend verändern wird", sagte Gavin Giovannoni, Neurologe vom Barts Hospital in London. Der Effekt dürfte laut den Beobachtungen in den klinischen Studien zumindest über vier Jahre hinweg anhalten.

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(APA, 26.8.2017) - derstandard.at/2000063150697/EU-bewilligt-neue-Tablette-gegen-MS-Schuebe